Geboren am: 26. April 1942
Geboren in: Stettin
Wohnort: Berlin
Familienstand: verheiratet mit Margret
Kinder: Adrienne, Anette und Susanne
Ausbildung / Beruf: Traktorenschlosser, Sportlehrer
Hobbys: Skat spielen, Fußball
Lieblingsmusik: Elvis Presley, Seemannslieder
Lieblingsfilme: Western, Krimis, Mafia- und Boxfilme, Dokumentationen
Lieblingsschauspieler: Clint Eastwood und John Wayne
Wenn man über die Spitzentrainer im Profiboxsport spricht, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Ulli Wegner. Der inzwischen 71-Jährige wurde am 26. April 1942 in Stettin geboren. Ans Aufhören denkt der „Box-Magier“, der seit 42 Jahren als Coach tätig ist, nicht. Noch immer ist der Spaß an der Arbeit riesengroß.
An einem Montag im September 1971 fing seine Karriere als Trainer an. Nach der aktiven Laufbahn als Amateurboxer wurde Wegner bei der BSG Wismut Gera als Trainer vorgestellt. Zuvor hatte er bereits den Assistenzposten inne. Denn nachdem der dortige Chefcoach Hans Spazierer erkrankt war, musste sich Wegner auf einmal um das Training für die Sportler kümmern. „Das war eine große Bewährungsprobe für mich und gleichzeitig eine äußerst interessante Zeit. Ich war schon vorher die rechte Hand von Hans Spazierer. Wichtig war damals, dass man mir diese Aufgabe überhaupt zutraute. Viele hätten sicherlich nicht gedacht, dass ich mich als Trainer so konsequent durchbeißen würde. Obwohl ich eigentlich recht tolerant bin, setzte ich auf Strenge und Disziplin“, erinnert sich Wegner. Er räumt ein: „Es war also eher ein Zufall, der dazu beitrug, dass ich den Weg als Trainer eingeschlagen konnte.“ Und leicht hatte er es als Coach zunächst auch nicht. Denn als gelernter Traktorschlosser hätte in der DDR eigentlich ein anderes Betätigungsfeld vor ihm gelegen. Aber Wegner holte die 10. Klasse in einer Abendschule nach und absolvierte an der Sportschule Bad Blankenburg sein Sportlehrer-Diplom – und das, obwohl ihm die Theorie dieser Sportart ein Gräuel war. Die späteren Erfolge ließen ihn diese unangenehme Seite seiner Ausbildung allerdings rasch vergessen. Und so feierte er schließlich mit seinen Schützlingen zahlreiche Erfolge.
Den „schönsten Moment“ zu benennen, fällt ihm heute schwer. „Alles war so aufregend und schön. 1973 gab es die erste Medaille mit Gerd Piesold. Dann muss ich Eike Walther nennen, der 1984 mit Henry Maske den wohl erfolgreichsten deutschen Boxer schlug und DDR-Meister wurde. 1985 folgte der erste WM-Titel für die DDR bei den Junioren mit Jörg Teiche – das sind alles großartige Erinnerungen.“
Nachdem sich Wegners erste Ehefrau Monika 1985 von ihm scheiden ließ und er bereits ein Jahr später seine heutige Frau Margret (O-Ton Ulli Wegner: „Sie ist der größte Glücksfall meines Lebens. Margret ist jemand, der mich perfekt ergänzt und irgendwie alles kann.“) kennenlernte, folgte die „politische Wende“. Die damit verbundene Wiedervereinigung Deutschlands sorgte auch bei den Wegners kurzzeitig für ein paar schlaflose Nächte. Doch da sich der Spandauer Boxer Sven Ottke sehr schnell zu einer Zusammenarbeit mit Ulli Wegner entschloss, verlief der weitere Werdegang zunächst als Honorar- und dann als Bundestrainer in geordneten Bahnen. Der von ihm im Olympiastützpunkt Berlin betreute Ottke wurde 1991 und 1995 Europameister. „Besonders erinnere ich mich an 1991. Sven Ottke wurde da in Göteborg Europameister“, blickt Wegner zurück. „Dieser Sieg war für unseren weiteren, gemeinsamen Weg unglaublich wichtig. Im gleichen Jahr übertrug mir der Boxverband die Aufgabe, Marco Rudolph vorzubereiten. Der wurde daraufhin in Sydney Amateur-Weltmeister. Er schlug damals zunächst Oscar De La Hoya und später im Finale Artur Grigorian.“
Bei den Olympischen Sommerspielen in Atlanta 1996 war Ulli Wegner noch als Amateur-Trainer tätig. Er führte die Kämpfer Oktay Urkal (Silber) und Thomas Ulrich (Bronze) zu olympischem Edelmetall. Es folgte der Wechsel zum Profiboxen.
Hier gewann sein Schützling Sven Ottke zunächst die IBF- und später auch die WBA-Weltmeisterschaft im Super-Mittelgewicht. Das „Phantom“, wie der gebürtige Berliner liebevoll von seinen Fans genannt wurde, nahm im März 2004 – in 34 Profikämpfen ungeschlagen – Abschied vom aktiven Boxsport. Diese Rekordmarke ist bis heute in Deutschland ungebrochen.
Auch Markus Beyer führte Wegner zu WM-Ehren. Der in Erlabrunn geborene Rechtsausleger erkämpfte im Oktober 1999 in Telford, England, gegen den Briten Richie Woodhall die WBC-Krone. Zwar verlor der Super-Mittelgewichtler seinen Titel zweimal wieder. Doch Beyer eroberte den WM-Gürtel in der Gewichtsklasse bis 76,203 Kilogramm jeweils wieder zurück, ehe er dem Dänen Mikkel Kessler schließlich in einem Titelvereinigungskampf unterlag.
2002 kehrte Ulli Wegner mit dem Umzug des Sauerland-Gyms nach Berlin in die Hauptstadt zurück. Hier wurde er erfolgreicher als jemals zuvor.
Im Dezember 2005 kam mit Arthur Abraham ein weiterer Weltmeister hinzu. King Arthur, wie die Box-Welt den in Berlin lebenden Sportler noch heute nennt, verteidigte seinen IBF-Titel im Mittelgewicht zehnmal – darunter die legendäre „Schlacht von Wetzlar“, in der Abraham am 23. September 2006 den Kolumbianer Edison Miranda trotz eines doppelt gebrochenen Kiefers von Blut überströmt über zwölf Runden nach Punkten bezwang. Im Jahr 2009 wechselte Abraham ins höhere Super-Mittelgewicht. Auch hier holte er sich im August 2012 den WM-Gürtel, indem er in Berlin den vorherigen WBO-Titelträger Robert Stieglitz bezwang.
Im Jahr 2009 führte Wegner die Weltergewichtlerin Cecilia Braekhus – inzwischen hat die norwegische Ringschönheit sogar drei WM-Gürtel inne – und Cruisergewichtler Marco Huck (WBO, Cruisergewicht) zum Gewinn der Weltmeisterschaft. Einen weiteren Champion brachte er 2011 hervor, als sich Yoan Pablo Hernandez – ebenfalls im Cruisergewicht – die WM-Krone aufsetzen durfte.
Das Erfolgsgeheimnis von Wegner ist einfach. „Ich habe immer das Bestreben, etwas Besonderes zu leisten. Ich will erfolgreich sein. Die Sportler, die bei mir trainieren, sollen die besten sein. Mir fällt zwar nicht alles in den Schoß, aber ich betreibe einen sehr großen Aufwand, um die geplanten Ziele zu erreichen – bin ein Workaholic. Ich setze mich sehr genau mit den Boxern auseinander. Mit Hingabe zeige ich den Athleten ihre Chancen auf“, lautet die Devise des Trainerfuchses.
Wegner ist ein Mensch, der von Kindesbeinen an für den Sport lebte. „Da mir der Boxsport so viel Freude bereitet, war der Trainerjob ein echter Glücksfall für mich. Ich habe mich von Beginn an in meine Tätigkeit reingekniet. Wichtig ist aber auch, dass man nicht, in dem was man tut, stehen bleibt. Nur wer sich ständig weiterbildet und bereit ist, andere und neue Methoden auszuprobieren, entwickelt sich. Deshalb lese ich nach wie vor sehr viele Fachbücher. Vielleicht ist das ein Punkt, in dem ich mich von dem einen oder anderen Kollegen unterscheide“, fährt der Erfolgstrainer fort.
Doch Menschen, die Siege feiern, haben auch Ängste auszustehen. „Als Trainer setzt man sich manchmal selbst sehr unter Druck. Obwohl man mit Hingabe arbeitet, hat man Bedenken, dass man versagen könnte. Deshalb sind Niederlagen die schlimmste Sache der Welt für mich“, gibt Wegner offen zu. „Ich überlege dann, ob ich etwas in der Vorbereitung eines Athleten falsch gemacht habe oder etwas nicht beachtet habe. Die Schuld suche ich dann zuerst bei mir. Niederlagen tun weh und dürfen im Spitzensport eigentlich nicht passieren.“
Als Vorbild diente Wegner in seinem Streben der Mann, der ihn einst selbst trainierte. „Hans Spazierer hat mein Leben regelrecht geformt“, blickt Wegner zurück, „er war knallhart und sehr gerecht. Er hat mich auf den richtigen Weg gebracht“, erzählt er heute. Ihm habe er eigentlich sein ganzes Leben zu verdanken. „Denn wenn man ehrlich ist, gab es immer wieder Leute, die vielleicht gebildeter waren als ich. Doch da ich mich auf die wesentlichen Dinge konzentriert habe, erreichte ich trotzdem meine Ziele“, so Wegner.
Geprägt wurde der Trainer aber natürlich auch durch seine Kindheit. Er wuchs in einer ländlichen Gegend in recht ärmlichen Verhältnissen auf. „Mein Vater Karl war 52 Jahre alt, meine Mutter Hedwig 42, als ich zur Welt kam. Mein Bruder war zehn Jahre älter als ich, meine 20-jährige Schwester bereits verheiratet. Sie lebte in Kiel.“
Respekt und Achtung spielten in der Erziehung der Eltern eine besondere Rolle. Sein Vater erzog ihn streng und zielgerichtet. „Ich lief täglich fünf Kilometer zur Schule und zurück. Danach hütete ich bis zum 14. Lebensjahr in Penkun die Kühe der Nachbarn“, erinnert sich Wegner. „Mein großes Hobby war schon immer der Fußball. Wir kickten eigentlich jeden Tag. Da kam es auch schon mal vor, dass ich die Kühe vergaß und die dann in den Gärten die Blumen auffraßen. Dafür gab es dann auch schon mal einen Klapps auf den Hintern.“
Rückblickend fährt er fort: „Doch bereits in dieser Zeit, hatte ich das Bestreben, besser als andere zu sein. Aus der Motivation heraus, in einer schweren Zeit aufgewachsen zu sein, war ich immer bereit, alles zu geben“, so Wegner.
Nach der achten Klasse war dann erst einmal Schluss mit der Schule. Ulli Wegner begann seine Lehre als Traktorenschlosser. „Weil ich Fußballer werden wollte und weil die Uniform so schön war, ging ich dann zur Marine nach Rostock. Beim ehemaligen Armeesportklub (ASK) hatte ich eine Laufbahn als Kicker im Visier“, verrät er.
Doch von 48 Anwärtern sollten nur fünf Mann als Fußballer ausgewählt werden. „Als noch nicht klar war, wer genommen werden würde, sprach mich jemand an, ob ich nicht beim Boxen aushelfen könnte. Ohne jemals einen Kampf bestritten zu haben, willigte ich ein und schlug mich wohl ganz achtbar“, sagt der damals 19-Jährige heute. „Daraufhin ging der Boxtrainer zum Fußballcoach und fragte, ob er mich für sein Team haben könnte.“
Somit war klar, dass Wegner zukünftig die Boxhandschuhe überstreifen würde. Zunächst stieg er dabei zwischen 1961 und 1964 für den ASK Rostock und den SC Turbine Erfurt in den Ring. Danach ging Wegner zur BSG Wismut nach Gera. Insgesamt bestritt Wegner bis zum Alter von 27 Jahren 176 Amateurkämpfe, ehe er später seine Trainertätigkeit begann.
Wegner weiß, dass Freunde im Leben sehr wichtig sind. „Ich habe viel Zeit in Gera, Berlin und Köln verbracht. Da ich sehr häufig im Leben umgezogen bin, gibt es natürlich viel zu wenige davon. Durch die sportlichen Erfolge gibt es viele Schulterklopfer, aber Freunde sind natürlich etwas anderes“, erzählt er.
Heute lebt der Trainer mit seiner Frau Margret in einem hübschen kleinen Häuschen in der Nähe des Tegeler Sees in Berlin: „Die Stadt gefällt mir. Ich mag die offene, natürliche Art der Menschen in der Hauptstadt.“
Inzwischen stehen aber auch Themen wie die Gesundheit bei Ulli Wegner im Vordergrund. „Ich habe mir im Laufe der Jahre nicht viel gegönnt, nur selten Urlaub gemacht. Ab einem gewissen Alter darf man seine Gesundheit nicht aus dem Blickfeld verlieren“, sagt der gebürtige Stettiner, der eigentlich immer ein Herz für die Schwächeren hatte.
„Wenn es mir gut geht, versuche ich, dass es auch anderen gut geht“, ist ein Leitspruch des Trainers. Doch er weiß, dass sich dies natürlich nicht immer im Leben verwirklichen lässt. Einen goldenen Sarg will er später nicht. „Alle sollen mich so in Erinnerung behalten, wie ich bin – kein Held, aber ein ehrlicher und toleranter Mensch.“
Das ist auch in Wegners Biographie nachzulesen, die im Jahr 2012 erschien. In „Ulli Wegner – Meine Leben in 13 Runden“ erzählt der Coach, der zehnmal in Folge vom Fachmagazin „BoxSport“ als „Trainer des Jahres“ ausgezeichnet wurde, aus seinem Leben. Darüber hinaus wurde der inzwischen 71-Jährige mit dem Medienpreis „Goldene Henne“ geehrt und bekam im Jahr 2011 für seine Leistungen das Bundesverdienstkreuz.
Stationen:
als Amateurboxer:
1961 bis 1963 ASK Rostock
1963 bis 1964 SC Turbine Erfurt
1964 bis 1971 BSG Wismut Gera
als Amateurtrainer:
1971 bis 1974 BSG Wismut Gera
1974 bis 1979 Bezirks-Trainer Gera (Sichtung)
1979 bis 1990 Berliner TSC
1991 bis 1996 Bundestrainer beim Deutschen Amateurbox-Verband (DABV) im Olympiastützpunkt Berlin
als Profitrainer:
seit 1996 bei Sauerland Event
als Amateurtrainer:
122 Medaillen im Junioren- und Seniorenbereich bei den Amateuren (60-mal Gold, 30-mal Silber, 32-mal Bronze)
25 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften sowie Militär-Weltmeisterschaften (5-mal Gold, 7-mal Silber, 13-mal Bronze)
als Profitrainer:
Sven Ottke, IBF- und WBA-Weltmeister im Super-Mittelgewicht
Markus Beyer, WBC-Weltmeister im Super-Mittelgewicht
Arthur Abraham, IBF-Weltmeister im Mittelgewicht und WBO-Weltmeister im Super-Mittelgewicht
Heidi Hartmann, WIBF-Weltmeisterin im Mittelgewicht
Cecilia Braekhus, WBC-, WBA- und WBO-Weltmeisterin im Weltergewicht
Marco Huck, WBO-Weltmeister im Cruisergewicht
Yoan Pablo Hernandez, IBF-Weltmeister im Cruisergewicht
Torsten May, Europameister im Cruisergewicht
Oktay Urkal, Europameister im Halbwelter- und Weltergewicht
Karo Murat, Europameister im Super-Mittelgewicht
Alexander Frenkel, Europameister im Cruisergewicht
Robert Helenius, Europameister im Schwergewicht
Eduard Gutknecht, Europameister im Halbschwergewicht